Detektorempfang wie zur Charleston-Zeit

Generationen von Radiobastlern haben mit einem Detektorempfänger der einfachsten Bauart die Faszination der drahtlosen Nachrichtenübertragung kennengelernt. Inzwischen geht aber nicht nur die Kenntnis über solche Dinge bei der jüngeren Generation verloren, auch die wenigen für den Bau eines solchen Gerätes notwendigen Teile sind kaum noch zu beschaffen. Der Bericht soll aufzeigen, daß es noch möglich ist, sich einen technisch korrekten Nachbau zu erstellen, welcher von einem Original kaum zu unterscheiden ist.

Historischer Hintergrund

Mitte der 20er Jahre gab es nur relativ wenige Sender auf Mittel- und Langwelle in Deutschland, noch dazu mit geringen Sendeleistungen bis maximal 15 KW. Tabelle 1 zeigt eine Auswahl der späteren Sender mit höherer Leistung und deren Frequenz (1929). Daneben gab es noch etliche kleine Sender in den größeren Städten mit 0,3-2KW Leistung.

Tabelle 1: Die stärksten Sender im Deutschen Reich 1929

Standort

Frequenz

Sendeleistung

Nürnberg

1256 KHz

 2,3 KW 

Gleiwitz

1184 KHz

 5,6 KW 

Heilsberg (Ostpr.)

1085 KHz

75 KW   

Mühlacker

833 KHz 

75 KW   

Langenberg

635 KHz 

17 KW   

Königswusterhausen

183,5 KHz

 35 KW  

Die beiden Mittelwellensender Heilsberg und Mühlacker mit ihren 75KW gehörten damals zu den stärksten Sendern in Europa. Dazu wurden mehrere wassergekühlte Senderöhren RS 255 (Telefunken) parallel betrieben. Wer Fernempfang mit einem guten Röhrenempfänger bewerkstelligen wollte, orientierte sich an der Stimme des Ansagers oder an den Noten der häufig ausgesendeten Pausenzeichen [1]. Rundfunk-DX der Zwanziger muß eine faszinierende Sache gewesen sein!

Wie man leicht erkennen kann, war ein Detektorempfang nur in unmittelbarer Sendernähe gut möglich, schon bei Entfernungen von 20-30km von den meisten Sendern benötigte man eine gute Hochantenne von 30-60m Länge. 

Man muß dazu bedenken, daß das Suchen auf dem Kristall nach einer geeigneten Stelle für die Gleichrichtung bei gleichzeitigem Betätigen des Drehkos oder einer Schiebespule recht unsicher war. 

Es läßt sich gut vorstellen, daß viele unerfahrene Hörer, die viel zu weit weg von den Sendern wohnten, mit hohen Erwartungen durch die Werbeversprechen vom "Superkristall" und klarem Empfang enttäuscht das Detektorgerät in die Ecke gestellt haben und das neue Medium Rundfunk verfluchten. So wie die damalige Firma Friho (Bild 1) ihre Kristalldetektorempfänger anpries, taten dies viele weitere und suggeriertem problemlosen Empfang. Hersteller von Apparaten und vor allem Detektoren schossen wie Pilze aus der Erde (Bild 2).

Auf dem flachen Land konnte man mit einem preiswerten Detektorapparat wenig anfangen. Zum Selbstbau eines Röhrenempfängers fehlten meist die notwendigen Kenntnisse. Der Preis selbst eines einfachen kommerziellen Röhrenempfängers mit Heizakku, Anodenbatterie, Antennendraht und Kopfhörer überstieg den Monatslohn eines Arbeiters bei weitem. Es ist daher kein Wunder, daß in den Zwanzigern der Rundfunkempfang für viele Menschen eine recht exotische Angelegenheit war und meist nur für die besser situierten Schichten der Bevölkerung in Frage kam. Zwei Jahre nach Einführung des Rundfunks in Deutschland gab es 1925 gerade mal 1 Million Hörer.

Schaltung und Funktion

Über die Schaltung des sogenannten "Primärempfängers" mit nur einem Schwingkreis brauchen wir nicht lange zu diskutieren, obwohl über die Fragen der Antennenankopplung und des dämpfungsarmen Anschlusses des Detektors schon damals wahre Doktorarbeiten verfaßt worden sind. Wir halten uns an das Original, bei dem Drehko und Spule einen Parallelschwingkreis bilden (Bild 3).

Da Antenne und Detektor den Schwingkreis bedämpfen, sind Trennschärfe und Lautstärke verbesserungsfähig, aber dann müßten wir eine Induktivität mit Anzapfungen verwenden. Das aber wiederum widerspricht einer optisch attraktiven, originalgetreuen Wabenspule.

Als einziger Kompromiß bleibt, eventuell extern in Reihe mit der Antenne einen Serienkondensator von 100pF oder 200pF zu legen. Noch besser ist ein weiterer Drehko für eine optimierte Antennenankopplung.

Die aufgenommene Empfangsenergie im Bereich von Mikrowatt wird unmittelbar gleichgerichtet und zum Betreiben des hochohmigen Kopfhörers verwendet. Der Detektorkristall besteht aus dem klassischen Halbleitermineral Bleiglanz (Bleisulfid, PbS) und wird mit einer Metallspitze abgetastet. Zum Testen empfiehlt sich eine Germaniumdiode, der Optik wegen sollte es aber dann ein echter Kristalldetektor sein.

Historische Vorbilder

Detektorempfänger gab es früher zahlreich, von bekannteren und unbekannteren Herstellern. Erhalten geblieben sind davon leider recht wenige. Sie wurden sicher beiseitegestellt und dann weggeworfen, wenn ein Netzradio in die gute Stube einzog, was bei den meisten Haushalten in Deutschland während der 30er Jahre der Fall war.

In Bild 4 sieht man einen ca. 1925 gebauten Detektor eines unbekannten Kleinherstellers mit einem optisch sehr gut wirkenden Kristalldetektor der Marke "Mars". Er spielt noch hervorragend, an einer 40m langen Drahtantenne liegt das 594KHz-Signal des HR mit gleichgerichteten 700mV an 4KOhm an. Eine Germaniumdiode schafft es auch nicht besser. Allerdings habe ich den (aus EMVU-Gründen inzwischen auf 70KW leistungreduzierten Sender!) nur in 8km Luftlinie vor der Haustür.  

Bild 4:

Links das Original aus dem Jahre 1925, rechts der Nachbau von heute.  

 Bild 5

Ein anderer Empfänger der Firma LORENZ, Typ E.D.A. 24 aus dem gleichen Baujahr.

Bei diesem ist leider der Originaldetektor durch einen allerdings ebenfalls historischen der Marke "Aar" ersetzt.

 

Nur der Vollständigkeit halber sei noch ein preiswerter Apparat vorgestellt, wie er mit Preßstoffgehäuse Anfang der 30er Jahre gebaut wurde.

 Bild 6

 

Die Bauteile

Diese sind das eigentliche Problem, denn ohne genaue Kenntnis der Quellen ist ein originalgetreuer Nachbau unmöglich. Nicht mehr neu erhältlich ist der hochohmige Kopfhörer (2x2000 Ohm), der unerläßlich für den Empfang ist.

Trotz intensiver Nachforschungen ist es mir nicht gelungen, dazu noch eine Liefermöglichkeit zu erschließen. Die letzten hochohmigen Kopfhörer aus der RFT-Produktion (DDR) wurden vor einigen Jahren durch die Firma Conrad unter die Bastler gebracht. Sollte ein Leser noch eine Adresse kennen, sollte er dies unbedingt mitteilen!

So bleibt nur der Gang zu einem der vielen örtlichen Trödelmärkte, wo man mit Sicherheit fündig werden kann. Mitnehmen sollte man eine Batterie, um durch Prüfen auf "Knacken" bei Anschluß die tatsächliche Funktion sicherzustellen. Dabei müssen in beiden Muscheln die Geräusche gleichlaut und deutlich vernehmbar sein.

Drehkos werden noch im Elektronikversand angeboten, Spule und Detektor kann man als Nachbau erwerben (Bezugsquellen hinten) oder bei bastlerischem Geschick auch selbst herstellen.

Das Gehäuse aus Holz kann so aussehen wie das nachgebaute Pultgehäuse, man kann sich aber auch einen anderen kommerziellen Detektorempfänger als Vorbild nehmen. Ein kastenförmiges Gehäuse wie beim LORENZ-Empfänger ist sicherlich leichter zu erstellen.

Der Drehknopf stammt ebenfalls vom Flohmarkt, gut geeignet sind aber auch die relativ großen Matchbox-Knöpfe der Fa. Annecke, wie sie für Amateurfunk­Antennenkoppler angeboten wurden.

Die Selbstherstellung von optisch gut wirksamen Wabenspulen ist eine Kunst für sich, aber durchaus möglich. Dazu benötigt man ein stabiles Rundholz mit 40-50mm Durchmesser, in das gleichmäßig auf dem Umfang verteilt 11 oder 13 Löcher mit 8-10mm gebohrt werden. In diese werden Holzstäbe oder Alurohre gesteckt, die nach dem Wickeln entfernt werden müssen. Eine solche Spinne zeigt

 Bild 7.

Bild 8:

Wickeltechnik bei der Ledionspule

Bild 9:

Selbstgefertigte Ledionspule, 45 Windungen mit 180uH für Mittelwelle

Die Abfolge beim Wickeln wird aus Bild 8 deutlich. Die Kreuzwicklung ergibt sich durch die ungeradzahlige Stiftanordnung, dies ist unbedingt zu beachten. So kommt man nach einer Umdrehung auf die andere Seite und erreicht damit eine kapazitätsarme Induktivität hoher Güte. Als Draht eignet sich CuL 0,6-0,8mm, noch besser ist seideumsponnener Draht mit einer originalgetreuen Farbe. Optisch besonders ansprechend ist ein dunkles Moosgrün, das man durch eigene Färbeversuche erstellen kann. 

Damals hießen solchermaßen aufgebauten Induktivitäten "Korbbodenspulen" oder "Ledion-Spulen". Als Anregung für Nachbauer sieht man in Bild 10 eine Auswahl verschiedener Originalspulen aus den zwanziger Jahren. Auch die "Korb-Spule nach Dr. Lertes" eignet sich für den Nachbau. Als Trägermaterial kann Pappe oder dünnes Sperrholz dienen.

Auch das ist ein Detektorradio! (Bild 11)

Zum Abstimmen wird ein "Schiebekondensator" aus Alu-Folie, die auf  Klarsichtfolien geklebt ist (Mitte), verwendet.

Der Rollkondensator parallel zum Kopfhörer (rechts) besteht aus Zigarettenpapier.

Der Detektor links ist ein echter Bleiglanzkristall.

Der obige Detektorempfänger wurde als Demonstrationsmodell gebaut und verblüfft immer wieder, wenn er vorgeführt wird.

Bezugsquellen

Vollständige Bausätze für Detektor- und Röhrenempfänger im Stile der 20er Jahre liefert K. P. Vorrath (Tel. 030/8012821), Clayallee 285, 14169 Berlin.

Liebevoll in Kleinserie hergestellte Wabenspulen, Spulenkoppler und Detektoren (Bild 12) fertigt Gernot Pinior (Tel. 08142/15498), Keltenweg 6, 82140 Olching.

Bei schriftlichen Anfragen vergessen Sie bitte nicht, Rückporto beizulegen!

 

Bild 12: (links)

Nachbaudetektor von Gernot Pinior

Bild 13: (rechts)

Nachbaudetektor aus holländischer Quelle

Zur Vervollständigung soll noch ein weiterer Nachbaudetektor vorgestellt werden: In Bild 13 sieht man einen offenen Detektor, der von holländischen Radiobastlern auf den Radio-Trödelmärkten der GFGF (Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Funkwesens) angeboten wurde.

Wer sich für die spannende Technik und Geschichte der "Dampfradios" interessiert, sei auf die sehr guten Bücher der Autoren Abele und Erb verwiesen [2, 3].

Literatur- und Quellenangaben:

[1] Kennrufe der Rundfunksender, Verlag Rothgießer und Diesing,  Berlin 1928

[2]Abele, G.: Historische Radios, eine Chronik in Wort und Bild, 5 Bände, Füsslin-Verlag Stuttgart, 1996-1999 

[3] Erb, E.: Radios von gestern, M + K Computer-Verlag, Luzern 1991