Als Artikel erschienen in der Zeitschrift CQ-DL 4/1996, S. 316-319

  Zur Erfindung der Verstärkerröhre

Wohl kaum eine andere Erfindung hat die Funktechnik so entscheidend beeinflußt wie die der Elektronenröhre. Diese wurde ursprünglich als empfindlicher Glühkathoden-Detektor von Fleming 1904 patentiert, mithin als Diode den Zwecken der drahtlosen Telegraphie nutzbar gemacht.

Der nächste Schritt, der aber keineswegs geradlinig erfolgte, war das Verwenden eines Steuergitters, das mit der Triode eine Verstärkung möglich machte.

So alt wie die Triode ist, so lange währt der Streit um die Prioritätsrechte dieser bahnbrechenden technischen Neuerung. Allgemein wird Lee de Forest als Erfinder der verstärkenden Elektronenröhre angesehen. Daß dies aber nicht ganz stimmt, soll die Darstellung der chronologischen Entwicklung zeigen.

Um die Jahrhundertwende wurde immer deutlicher, daß die sich beschleunigt entwickelnde Telephontechnik ungeahnten Aufschwung nehmen würde, wenn es gelänge, die schwachen niederfrequenten Wechselströme zu verstärken.

Man sprach damals von "Telephon-Relais", meinte aber einen Verstärker. Mit echten Relais, Lichtbögen, Quecksilberlampen, Wirbelstrom-Maschinen und weiteren, für uns heute abenteuerlich erscheinenden Methoden, wurde versucht, eine verstärkende Wirkung zu erzielen. Keiner der auf diesen Grundlagen beruhenden Erfindungen konnte sich durchsetzen, weil der Aufwand zu groß war oder die Verstärker keine stabilen, reproduzierbaren Eigenschaften aufwiesen.

Robert von Liebens Durchbruch  

Erst eine Patentanmeldung von Robert von Lieben wies den Weg in die richtige Richtung. Lieben, geboren am 1878 in Wien als Sohn wohlhabender Eltern, war der Prototyp eines Privatgelehrten. 

Abb. 1 zeigt den genialen Forscher, das Bild stammt aus [1]. Er hatte durch das Vermögen seiner Eltern die Möglichkeit, sich seinen Neigungsarbeiten hingeben zu können. Nach einem Studium in Göttingen und nachfolgenden Erfindungen in den Bereichen der Optik, des Automobils und des Flugzeugbaus, geriet er durch den Kauf einer Telephonfabrik in Olmütz (Mähren) an das Problem, kleine Stromschwankungen verstärken zu müssen.  

Am 4. März 1906 meldete er eine als Kathodenstrahl-Relais bezeichnete Röhre zum Patent an [2]. Wie aus Abb. 2 ersichtlich ist, besteht diese aus der Glasröhre r, die hoch evakuiert ist, in welche die zum Erhitzen der Kathode k erforderlichen Drähte z1 und z2 eingeschmolzen sind.

Die Kathode k hat die Form eines Hohlspiegels und geht auf die Erfindung Wehnelts zurück. Sie ist mit einem Gemisch der Erdalkali-Oxide von Barium, Strontium und Calcium überzogen.

Wird eine Spannungsquelle b an die durch b1 geheizte Kathode angelegt, so fließt ein Elektronenstrom, der sich in einem Brennpunkt bündelt. Dessen Lage ist in einem Faraday-Hohlzylinder o mit der Öffnung f. Im Inneren befindet sich ein zweiter Hohlzylinder f1. Beide Zylinder sind elektrisch isoliert und haben Ableitungsdrähte z3 und z4 nach außen. In Reihe mit der Stromzuführung z4 liegt ein Widerstand w, in Reihe mit z3 ein Transformator oder Telephonhörer.  

 

Wenn a ein Mikrophon darstellt, das in Reihe mit b2 liegend, den durch eine Ablekmagnetspule e fließenden Strom beeinflußt, so wird der Elektronenstrom mehr oder weniger in f1 eindringen. Dieser Zylinder wirkt wie eine Anode, die den Strom durch a1 (Hörer) verstärkt wiedergibt.

Heute würde man die Lieben-Röhre in ihrer ursprünglichen Form als gesteuerte Gasentladungsröhre bezeichnen, da wegen der technischen Unzulänglichkeiten ein Hochvakuum noch nicht möglich war und von Lieben daher seine Experimente mit den um die Jahrhundertwende erforschten Gasentladungsröhren begann. Beabsichtigt war aber ganz klar eine Steuerung des Elektronenstroms, damals als Kathodenstrahlen bezeichnet.

Interessant ist aber in diesem Zusammenhang, daß von Lieben deutlich die Wirkung erkannte und auch eindeutig im DRP 179 807 beschrieb: Der Zweck seiner Konstruktion sollte sein, "mittels Stromschwankungen kleiner Energie solche von großer Energie auszulösen, wobei Frequenz und Kurvenform der ausgelösten Stromschwankungen denen der auslösenden entsprechen."

Weiter heißt es: "Kathodenstrahlrelais für Stromwellen bis zu den höchsten Frequenzen, dadurch gekennzeichnet, daß langsame Kathodenstrahlen, in bekannter Weise von einer mit glühendem Metalloxyd bedeckten Hohlspiegelkathode ausgehend, durch die zu verstärkenden Stromwellen derart beeinflußt werden, daß sie in ihrem Stromkreis Wellen gleicher Frequenz, aber höherer Amplitude, hervorrufen."

Auch die Anwendung wurde von Lieben klar definiert: "Insbesondere für manche Probleme der Telephonie (Übertragung der Sprache auf große Entfernungen, Kabeltelephonie, drahtlose Telephonie, Verstärkung der Sprach- und Musikübertragung, usw.)."  

Übernahme in die Funktechnik

Da Robert von Lieben auch in der Patentschrift neben der elektromagnetischen Ablenkung schon die elektrostatische mit anführte, ist das Prinzip der Verstärkerröhre so eindeutig beschrieben, daß auch bei den uns heute ungewöhnlich und abwegig anmutenden Kathoden und Anoden kein Spielraum patentrechtlicher Art mehr bleibt.  

Erst am 25. Oktober 1906 meldete in den USA Lee de Forest (Abb. 3) sein Patent unter der US-Nr. 841 387 an. De Forest, geboren 1873, studierte und promovierte an der renommierten Yale-Universität und war danach Ingenieur einer Firma, die sich mit dem Bau von Radiostationen beschäftigte.  

Aus diesem Grund interessierte er sich für die Verbesserung der damals noch sehr unvollkommenen Empfangsgeräte.

 

Zunächst untersuchte de Forest die Flemingsche Diode und experimentierte mit einer an Gleichspannung angeschlossenen zusätzlichen Elektrode. 

So entdeckte er die Möglichkeit, den Elektronenstrom auf elektrostatischem Wege zu beeinflussen, was schließlich zum erwähnten Patent [3] führte. Dieses trug den Titel "Device for amplifying feeble electrical currents".

Auch er hatte Elektronenstrahlen im Auge, kämpfte aber genauso mit Ionisierungseffekten durch das unvollständige Vakuum in seinen Röhren. Interessant sind dabei zwei Dinge: Zeitlich liegt das Patent eindeutig nach dem des Robert von Lieben. Auf der anderen Seite ist die Behauptung, daß zu diesem Zeitpunkt schon das Steuergitter in der Röhre erfunden wurde, falsch. 

Dies ist aus Abb. 4 eindeutig zu entnehmen. Dort ist nämlich die Kathode E zwischen dem "Gitter" D1, das die Antennenspannung zuführt, und der Anode D angeordnet. Dies ist eine für die Verstärkung sehr ungünstige Lage und weist darauf hin, daß de Forest zu diesem Zeitpunkt zwar eine Dreielektroden-Röhre konstruierte, diese aber gegenüber dem Lieben-Patent eher einen Rückschritt darstellte!  

Erst später ordnete er das Gitter in der Form an, wie wir die Triode kennen, nämlich zwischen der Kathode und der Anode [4]. Bedeutungsvoll ist in diesem Zusammenhang auch, daß von Lieben wohl als erster erkannte, daß zu einer möglichst effektiven Steuerung des Gitters durch Wechselspannungen eine Vorspannung mit Gleichstrom erforderlich ist.

Warum meist de Forest als Erfinder der Triode gilt, hängt mit etwas anderem zusammen. Da er im Gegensatz zu Lieben sich von Anfang an mit der drahtlosen Technik beschäftigte, ist sein Name weit mehr mit deren Entwicklung verbunden. Dazu kommt, daß er weitere bahnbrechende Erfindungen zur Funktechnik machte. Die wohl bekannteste ist sicherlich die Audion-Schaltung, die in einer Triode eine Gittergleichrichtung hochfrequenter Signale mit dem gesteuerten Anodenstrom zur Verstärkung verband.

Hinzu kommt, daß auch schon die reine Gleichrichter-Schaltung mit einer Diode von de Forest als "Audion" (vom Lateinischen "audio" = ich höre) bezeichnet wurde. Dadurch wird die Entwicklung scheinbar zeitlich vorverlegt.

Von Lieben dagegen hatte sich mit der drahtlosen Telegraphie weit weniger beschäftigt und hatte von Anfang an eine eine reine NF-Verstärkung für Telephonzwecke im Auge, obwohl er die weiteren Einsatzmöglichkeiten schon laut Ausführungen in seiner Patentschrift sah.

De Forest hingegen versuchte, die Detektorwirkung bei Hochfrequenzempfang zu verbessern. Im Zuge dieser Experimente kam er auf den Einbau einer dritten Elektrode, die die Empfindlichkeit (nicht eine Verstärkerwirkung!) der Röhre steigern sollte, indem er diese mit Gleichspannung versorgte. Erst danach konstruierte de Forest eine Röhre, die unseren heutigen Vorstellungen entspricht: Ein Heizfaden als Kathode und ein Gitter mit Löchern, durch die der Elektronenstrom auf seinem Weg zur Anode in der Intensität gesteuert wurde.  

Patentstreitigkeiten

In den folgenden Jahren arbeitete auch von Lieben zusammen mit seinen Mitarbeitern Eugen Reisz und Siegmund Strauss an der Verbesserung der noch nicht richtig einsatzfähigen Lieben-Röhre. Wie de Forest auch, hatten sie die meisten Schwierigkeiten dadurch, daß ein Hochvakuum, wie es ein reiner Elektronenstrom in der Röhre braucht, erst 1913 technisch möglich war.  

So führten Gasreste mit ihren störenden Ionisationen immer wieder zu recht eigentümlichen Effekten und Kennlinien der konstruierten Röhren. Am Anfang der Röhrenentwicklung versuchte man deshalb auch durch bewußt eingebrachte, spezielle Gasfüllungen, dieser Probleme Herr zu werden, allerdings nur mit mäßigem Erfolg.  

Welche verwickelten Kennlinien sich dabei ergaben, zeigt ein Kurvenblatt nach [5] aus dem Laboratoriumsbuch von Liebens aus dem Jahre 1910 (Abb. 5). Diese Ionisations-Verstärkerröhre wurde 1910 patentiert [6].

Die endgültige Lieben-Röhre (Abb. 6), die eine echte Gitterröhre darstellte [7], wurde dann Anlaß zu einem jahrelangen Patentstreit zwischen de Forest und der Firma Telefunken, die die Patente nach dem zu frühen Tod des Erfinders von Lieben am 20. Februar 1913 verwertete.  

Abb. 6: Originale Lieben-Röhre 

(Radio-Museum Fürth, aus dem Bestand des Deutschen Museums München)

Abb. 7: Originaler Verstärker zur Lieben- Röhre (Radio-Museum Fürth, aus dem Bestand des Deutschen Museums München)

 

Die deutschen Gerichte entschieden 1918 eindeutig zugunsten einer Priorität des Robert von Lieben, aufgrund des schon 1906 erteilten ersten Patents. Ungünstig für de Forest war allerdings auch, daß er durch die vielen Patentprozesse kein Geld mehr hatte, seine Rechte im Ausland durchzusetzen. In den USA kam er spät, aber doch noch in den Genuß der Vermarktung seiner Erfindungen, die sich nicht nur auf die Verstärkerröhre bezogen.

Erstaunlich ist, daß ein Standardwerk der Röhren-Geschichte von John W.Stokes [7] es nicht einmal für nötig hält, den Namen von Liebens, geschweige denn seine Erfindungen, zu erwähnen. Dies ist ein bedauerlicher Beweis der chauvinistischen Einstellung anglo-amerikanischer Autoren, die immer de Forest als ausschließlichen Erfinder der Verstärkerröhre ansahen und maßgebliche deutsche Röhrenentwicklungen nur am Rande berücksichtigten.  

Wie es bei vielen technischen Entwicklungen der Fall ist, so arbeiteten auch hier verschiedenen Forscher am selben Problem, so daß es kaum möglich ist, einer Person die ausschließlichen Lorbeeren zuzusprechen. Gönnen wir beiden genialen Männern, von Lieben und de Forest, den Verdienst als Pioniere einer neuen Technik auch für uns Funkamateure Wegbereiter gewesen zu sein!  

Röhren aus der Vorrundfunkzeit

Dessen ungeachtet trat die Hochvakuum-Verstärkerröhre nach 1913 in aller Welt ihren Siegeszug an und verhalf der noch jungen Funktechnik zu ihrem uns allen bekannten Siegeszug. Drei Bilder von den ersten serienmäßig in Deutschland gebauten Elektronenröhren aus der Sammlung des Verfassers sollen noch zeigen, wie einfach damals Röhren in der Vor-Rundfunkzeit (diese begann ja erst 1923) gebaut waren.  

Serie hieß damals aber keineswegs automatische Fertigung, viele Arbeitsgänge wurden in Handarbeit durchgeführt. Die erste ist die Röhre vom Typ "MC" und stammt von Siemens & Halske, entwickelt 1916. Die Kathode besteht aus Wolframdraht und wurde durch einen Eisenwasserstoffvorwiderstand (Urdox) mit einem Konstantstrom von 0,55 A geheizt.  

Abb. 8 zeigt die fabrikfrische Röhre mit einer Anode wie ein Kuchenblech, einem Gitter wie ein Bratwurstgrill und einem einfachen Heizfaden zusammen mit der originalen Garantiekarte aus dem ersten Weltkrieg.Dort waren diese Röhren in Feldverstärkern in den Schützengräben Frankreichs im Einsatz. Deutlich erkennt man, daß die ersten Röhren aus der Glühlampentechnik entstanden!

Eine schon wesentlich fortschrittlichere Röhre, entwickelt 1917, ebenfalls von Siemens & Halske, als Type 110 mit der Seriennummer 8710, sieht aus wie das Meisterwerk eines Glasbläsers (Abb. 9). Sie hat schon einen richtigen Sockel und konzentrisch angeordnete Elektroden.  

Es handelt sich um die erste serienmäßig in Deutschland gefertigte Doppelgitterröhre. Um mit einer sehr niedrigen Anodenspannung unter 20 Volt arbeiten zu können, wurde zwischen der Kathode und dem Steuergitter das positiv vorgespannte "Raumladegitter" angeordnet, das die Elektronen vor der eigentlichen elektrostatischen Beeinflussung durch die zu verstärkende Wechselspannung am Steuergitter sammelte und beschleunigte.  

Eine dritte Röhre mit konzentrischen Kupferelektroden, entwickelt 1916 als Triode "EVE 173" von Telefunken, war ebenfalls als NF-Verstärker im Einsatz. Röhren dieser Bauart (Abb. 10) waren Grundlage für die nach dem ersten Weltkrieg beginnende Rundfunktechnik und wurden auch als Audion eingesetzt.

Wie schnell sich die Entwicklung gestaltete, wird auch dadurch deutlich, daß viele Newcomer im Amateurfunk mit Röhren nichts mehr anzufangen wissen und noch nie mit einem solchen technischen Wunderwerk experimentiert haben. Wer aber einmal die dunkel glühenden Heizfäden oder Kathoden einer Elektronenröhre gesehen hat und dabei mit einem Kopfhörer fernen Sendern lauschte, wird von der Faszination dieser Zeugen eines Stückes Technik-Geschichte nicht mehr losgelassen!  

 

Literaturangaben:

[1] Günther, Hanns: Pioniere der Radiotechnik, Frankh-Verlag, Stuttgart 1926

[2] Deutsche Patentschrift Nr. 179 807 vom 4. März 1906

[3] US-Patent Nr. 841 387, eingereicht am 25. Oktober 1906,erteilt am 15. Januar 1907

[4] US-Patent Nr. 879 532, eingereicht am 29. Juni 1907,erteilt am 18. Februar 1908

[5] Archiv f. Geschichte d. Mathematik , d. Naturwissenschaften und der Technik, Band 13, F.C.W. Vogel-Verlag, Berlin 1931

[6] Deutsche Patentschrift Nr. 236 716 vom 4. September 1910 [7] Deutsche Patentschrift Nr. 249 141 vom 10. Dezember 1910

[8] John W. Stokes: 70 Years of Radio Tubes and Valves, The Vestal Press Ltd., Vestal, New York, USA 198