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Der Reflexempfänger – ein vergessenes Empfangsprinzip
Zu Beginn der Aera der Röhrenempfänger und parallel dazu wieder bei Einführung der Transistortechnik wurden erhebliche Klimmzüge gemacht, durch Schaltungstricks die Zahl der teuren Verstärkerbauelemente zu reduzieren und dadurch Kosten zu senken. Das Besondere dabei war, eine Röhre oder einen Transistor durch Doppelnutzung als HF-und NF-Verstärker einzusparen. Dieser Vorteil wurde durch zum Teil gravierende Nachteile erkauft. Die Arbeitspunkte für zwei verschiedene Aufgaben vernünftig einzustellen und die Alterung der Röhren mit den damit verbundenen Verschiebungen in den Griff zu bekommen, war nicht einfach. Mit preiswerteren Röhren und Transistoren hat sich dann dieses Empfangsprinzip überholt. Hier sollen einige interessante Details der Entwicklung wieder in Erinnerung gerufen werden.
Erste Versuche von 1924
Soweit zur Theorie. In der Praxis dürften sich viele der Bastler, die sich mit nur einer Röhre Fernempfang erhofften, erhebliche Schwierigkeiten eingehandelt haben. Die Bedienung eines Kristalldetektors allein ist schon kompliziert, bis man einen Punkt besten Empfangs gefunden hat. Man kann sich gut vorstellen, dass die zusätzliche Einstellung von zwei getrennt abstimmbaren Schwingkreisen und des Arbeitspunktes der Röhre mit Heizregler und Anodenspannung noch viel schwieriger war.
Reflex-Netzempfänger der 30er-Jahre
Von 1934-1939 gab es eine ganze Reihe von Zweikreisern, die alle eine ähnliche Schaltungsgrundlage aufwiesen. Eine zur Trennschärfe- und Empfindlichkeitssteigerung rückgekoppelte HF-Vorstufe mit einem abgestimmten Schwingkreis am Gitter und einem weiteren an der Anode wurde gefolgt von einer Röhrendiode zur Geichrichtung. Danach wird die Pentode noch einmal zur Niederfrequenzverstärkung ausgenutzt. Wichtig ist dabei, dass die Verstärkerröhre nicht selbst nach dem Audionprinzip die NF gleichrichtet, sonst stellen sich Verzerrungen ein.
Wer allerdings solche Geräte richtig bedienen konnte, hatte mit ihnen bei den Senderfeldstärken Mitte der 30er-Jahre durchaus europaweiten Fernempfang an den damals üblichen 15-20m langen Hochantennen. Heute hat man an einer guten Außenantenne nicht so sehr viel Freude, denn Störungen durch Interferenzen verschiedener Sender auf der gleichen Frequenz und das breibandige Rauschen von Digitalmodulation machen Mittelwellenfernempfang schwierig. Hier benötigt man eine Rahmen- oder Ferritantenne, um zumindest die Störer ausblenden zu können.
Die meisten Radiofirmen hatten 1934/35 die 2-Kreis-Reflexempfänger im Programm. Dazu gehörten die Marktführer Mende, SABA, Körting und Blaupunkt, aber auch Sachsenwerk, Schaub, Nora, Wega und Lumophon. Erstaunlicherweise gab es beim Firmenkonsortium AEG/Siemens/Telefunken meines Wissens keine solche Schaltung, ebenfalls nicht von Philips. Als Röhren waren in den Wechselstromausführungen meist HF-Pentoden RENS1294 oder RENS1284 (später AF3), eine Gleichrichterdiode AB1 (später AB2) und eine NF-Endpentode RENS1374 oder RES964 (später AL4) eingesetzt. Für die Parallelmodelle für Gleich- oder Allstrom hat sich dieses Konzept nicht bewährt, weil es sich mit den stark unterschiedlichen Betriebsspannungen von 110 bis 220V nicht vertrug. Hierfür wurden meist klassische Zweikreiser mit Anodengleichrichter gebaut.
Besonders gut klingende Namen lies sich die Nürnberger Firma Bruckner & Stark (Lumophon) mit ihren verschiedenen Reflexempfängern in recht eigenwilligen Gehäusen einfallen. Sie hießen “Burggraf“, „Markgraf“ oder „Edler“ und sind heute bei Sammlern begehrte Stücke. Eine Besonderheit war deren „Turbinenskala“. Auch damals gab es wohl schon Marketing-Strategen, auch wenn sie noch nicht so hießen, die sich allerhand an Begriffen haben einfallen lassen (Bilder 5 und 6). |
Als einzige Hersteller hatten Körting und Schaub in jedem Modelljahr bis 1939 Reflexempfänger nach dem oben beschriebenen Prinzip in der Produktion, bei Körting zuletzt sogar mit Feldstärkeanzeige über das Leuchtband einer Glimmröhre.
Nach der Erfindung des Transistors wurde das Reflexprinzip wiederentdeckt. Die ersten Transistoren in den 50er Jahren waren teuer in der Fertigung und der Ausschuss war hoch. Jeder eingesparte Transistor bedeutete eine spürbare Senkung der Produktionskosten eines Empfängers.
Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich 1960 als Schüler gespart habe, um mir nach den Sommerferien einen 2-Transistor-Reflex-Empfänger für 32.-DM zu kaufen. Das Gerät existiert noch heute (Bilder 16 und 17) und wurde mit den kleinen, damals erst entwickelten 9V-Blockbatterien betrieben. Tagsüber konnte man gerade im kleinen Lautsprecher oder im mitgelieferten Ohrhörer den Orts- oder Bezirkssender auf Mittelwelle mit 10-15mW Sprechleistung empfangen. Abends waren dann doch mit der eingebauten Ferritantenne einige Stationen zu hören, vor allem der leistungsstarke Sender von Radio Luxemburg auf 1440KHz kam recht gut herein. Das war für meine Freunde beeindruckender, als der selbstgebaute 2-Röhren-Einkreiser mit DF91 und DAF92 in der Zigarrenkiste, zu dem man noch den 2x2000W-Doppelkopfhörer und eine Wurfantenne benötigte!
Diese kleinenTaschengeräte wurden inzwischen in Japan gebaut und waren die Vorboten des heranziehenden Untergangs für die deutsche Rundfunkindustrie, auch wenn die das zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht so recht gemerkt hatte. Es war sicherlich unter dem technischen Niveau der deutschen Radioindustrie solche Einfachstradios zu fertigen. Die japanischen Gerätchen hatten wohlklingende Namen wie „Queen“, „Boys Radio“ oder „Twentone“ und wurden bald abgelöst durch gleich große 5- oder 6-Kreis-Superhet-Empfänger mit 5-7 Transistoren.
Sie kamen alle mit einem ähnlichem Schaltungskonzept auf
den Markt, das auch für den Bastler geeignet war. In einer Sonderausgabe des
FUNKAMATEUR von 1965 [4] wurde ein solcher Selbstbauempfänger beschrieben (Bild
18). Ein einziger abgestimmter Schwingkreis mit der Ferritantenne als
Induktivität und dem ersten Germaniumtransistor als Hochfrequenzverstärker
lieferten die gleichzurichtende HF an eine Diode. Dann wurde über einen
Niederfrequenztransformator die NF dem selben Transistor wieder zugeführt und
verstärkt. Ein weiterer Kleinleistungstransistor arbeitete dann, ebenfalls über
einen Trafo, auf den Miniaturlautsprecher.
Wer sich für die ausführlichen technischen Daten der hier aufgeführten Empfänger interessiert, kann auch als nicht registrierter Gast im weltweit größten Internet-Radiomuseum www.radiomuseum.org [3] viele interessante Informationen abrufen. Dort sind über 122 000 Geräte erfasst. Als angemeldetem Benutzer stehen einem Vollbild-Fotos, Schaltbilder und mehr zur Verfügung.
Literatur- und Quellenangaben:
[1] Krüger, R : Die Selbstherstellung von Radioapparaten mit 1 bis 7 Röhren, Verlag Carl Schmidt & Co, Berlin 1924
[2] Hausdorff, M./Schrage, W.: Der Radiobastler, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Leipzig 1924
[4]: Hubert, A.: Reflexempfänger DIACETA, Funkamateur
Sonderheft 1965, S. 16