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Der Reflexempfänger – ein vergessenes Empfangsprinzip

 Zu Beginn der Aera der Röhrenempfänger und parallel dazu wieder bei Einführung der Transistortechnik wurden erhebliche Klimmzüge gemacht, durch Schaltungstricks die Zahl der teuren Verstärkerbauelemente zu reduzieren und dadurch Kosten zu senken. Das Besondere dabei war, eine Röhre oder einen Transistor durch Doppelnutzung als HF-und NF-Verstärker einzusparen. Dieser Vorteil wurde durch zum Teil gravierende Nachteile erkauft. Die Arbeitspunkte für zwei verschiedene Aufgaben vernünftig einzustellen und die Alterung der Röhren mit den damit verbundenen Verschiebungen in den Griff zu bekommen, war nicht einfach. Mit preiswerteren Röhren und Transistoren hat sich dann dieses Empfangsprinzip überholt. Hier sollen einige interessante Details der Entwicklung wieder in Erinnerung gerufen werden.

Erste Versuche von 1924

Bild 1:

Schaltung des Reflexempfängers von 1924

Schon in den ersten Radiobastelbüchern, die nach Einführung des Rundfunks in Deutschland 1923 eine weite Verbreitung fanden, sind Reflexempfänger zum Selbstbau enthalten. Bild 1 zeigt eine einfache Schaltung [1]. Zunächst wird die Röhrentriode als Hochfrequenzverstärker genutzt, dann wird die HF mit einem Kristalldetektor gleichgerichtet. Die dabei entstehende Niederfrequenz wird über einen Trafo wieder dem Steuergitter der Röhre zugeführt und ebenfalls verstärkt. Im Anodenkreis liegt dann der Kopfhörer, mit dem dann die weit entfernten Radiosender empfangen werden sollten.

Soweit zur Theorie. In der Praxis dürften sich viele der Bastler, die sich mit nur einer Röhre Fernempfang erhofften, erhebliche Schwierigkeiten eingehandelt haben. Die Bedienung eines Kristalldetektors allein ist schon kompliziert, bis man einen Punkt besten Empfangs gefunden hat. Man kann sich gut vorstellen, dass die zusätzliche Einstellung von zwei getrennt abstimmbaren Schwingkreisen und des Arbeitspunktes der Röhre mit Heizregler und Anodenspannung noch viel schwieriger war. 

Immerhin bezeichnen Hausdorf und Schrage in [2] die identische Schaltung als „schematisch“, weil sie wahrscheinlich auch diese nicht selbst in die Praxis umgesetzt haben. Besser glückte sicher Lautsprecherempfang, wenn man einen Ortssender in unmittelbarer Nähe hatte.

Offensichtlich hat man schon damals fleißig voneinander abgeschrieben, denn in der wie Pilze aus dem Boden schießenden Radioliteratur der 20er Jahre findet sich der gleiche Schaltplan mehrfach wieder. Ein Foto eines damaligen Versuchsaufbaus habe ich aber nirgendwo gefunden.

Das Buch von Krüger aus dem Jahre 1924

Das Buch von Hausdorff und Schrage, ebenfalls von 1924

Allerdings tauchte bei ebay vor einiger Zeit ein mit dem Phantasie-Schild „Krüger-Reflex E24“ nachgebauter Apparat auf, welcher der Schemazeichnung aus [1] verblüffend ähnelte (Bild 2). Dieses angebliche Radio von 1924 hat für teures Geld einen Besitzer gefunden, der wahrscheinlich nicht gemerkt hat, dass er einem Fantasieprodukt aufgesessen ist.

Kommerziell hergestellte Ein- oder Zweiröhren- Reflexempfänger hat es in diesen Jahren kaum gegeben, wahrscheinlich war dem Durchschnittshörer die kritische Bedienung nicht zuzumuten. Im umfassenden Datenbestand des Internetmuseums „Radiomuseum.org“ [3] habe ich jedenfalls nur wenige  solche Geräte gefunden.

Bild 2: Der Krüger-Reflex-Empfänger

 Reflex-Netzempfänger der 30er-Jahre

Von 1934-1939 gab es eine ganze Reihe von Zweikreisern, die alle eine ähnliche Schaltungsgrundlage aufwiesen. Eine zur Trennschärfe- und Empfindlichkeitssteigerung rückgekoppelte HF-Vorstufe mit einem abgestimmten Schwingkreis am Gitter und einem weiteren an der Anode wurde gefolgt von einer Röhrendiode zur Geichrichtung. Danach wird die Pentode noch einmal zur Niederfrequenzverstärkung ausgenutzt. Wichtig ist dabei, dass die Verstärkerröhre nicht selbst nach dem Audionprinzip die NF gleichrichtet, sonst stellen sich Verzerrungen ein.

Stellvertretend für diese Gerätegeneration soll das Schaltbild des Körting „Trixor“ (Bilder 3 und 4) vorgestellt werden. Hier wurde sogar eine Hexode RENS1234 eingesetzt, über deren 3. Gitter die Rückkoplung zur Empfindlichkeitssteigerung erfolgt. Die von der AB1 gleichgerichtete NF wird zusammen mit dem HF-Signal des Eingangsschwingkreises dem Steuergitter der Hexode zugeführt. In Reihe mit dem Anodenschwingkreis lag eine angezapfte NF-Drossel, über die eine Kopplung des verstärkten Signales für die Lautsprecherröhre erfolgte. Ein gravierender Schwachpunkt dieses Schaltungsprinzips war die Lautstärkeeinstellung, die über das 10KOhm-Potentiometer am HF-Eingang erfolgte.

Bild 3: Körting "Trixor" von 1934

Bild 4: Schaltung des "Trixor"

Wer allerdings solche Geräte richtig bedienen konnte, hatte mit ihnen bei den Senderfeldstärken Mitte der 30er-Jahre durchaus europaweiten Fernempfang an den damals üblichen 15-20m langen Hochantennen. Heute hat man an einer guten Außenantenne nicht so sehr viel Freude, denn Störungen durch Interferenzen verschiedener Sender auf der gleichen Frequenz und das breibandige Rauschen von Digitalmodulation machen Mittelwellenfernempfang schwierig. Hier benötigt man eine Rahmen- oder Ferritantenne, um zumindest die Störer ausblenden zu können.

Die meisten Radiofirmen hatten 1934/35 die 2-Kreis-Reflexempfänger im Programm. Dazu gehörten die Marktführer Mende, SABA, Körting und Blaupunkt, aber auch Sachsenwerk, Schaub, Nora, Wega und Lumophon. Erstaunlicherweise gab es beim Firmenkonsortium AEG/Siemens/Telefunken meines Wissens keine solche Schaltung, ebenfalls nicht von Philips. Als Röhren waren in den Wechselstromausführungen meist HF-Pentoden RENS1294 oder RENS1284 (später AF3), eine Gleichrichterdiode AB1 (später AB2) und eine NF-Endpentode RENS1374 oder RES964 (später AL4) eingesetzt. Für die Parallelmodelle für Gleich- oder Allstrom hat sich dieses Konzept nicht bewährt, weil es sich mit den stark unterschiedlichen Betriebsspannungen von 110 bis 220V nicht vertrug. Hierfür wurden meist klassische Zweikreiser mit Anodengleichrichter gebaut.

Besonders gut klingende Namen lies sich die Nürnberger Firma Bruckner & Stark (Lumophon) mit ihren verschiedenen Reflexempfängern in recht eigenwilligen Gehäusen einfallen. Sie hießen “Burggraf“, „Markgraf“ oder „Edler“ und sind heute bei Sammlern begehrte Stücke. Eine Besonderheit war deren „Turbinenskala“. Auch damals gab es wohl schon Marketing-Strategen, auch wenn sie noch nicht so hießen, die sich allerhand an Begriffen haben einfallen lassen (Bilder 5 und 6).

Als einzige Hersteller hatten Körting und Schaub in jedem Modelljahr bis 1939 Reflexempfänger nach dem oben beschriebenen Prinzip in der Produktion, bei Körting zuletzt sogar mit Feldstärkeanzeige über das Leuchtband einer Glimmröhre.

Wie solide damals gebaut wurde, sieht man in Bild 7. Hier handelt es sich um eine Innenansicht des Lorenz „Reflex KW“, der neben Mittel- und Langwelle sogar einen Kurzwellenbereich hatte.

 Die Bilder 8-15 mit einer Auswahl verschiedener Marken machen deutlich, daß Radios in den Dreißigern Möbelstücke waren und wohl auch passend zur Wohnungseinrichtung gekauft wurden. Sie unterscheiden sich wohltuend vom technischen Einheitslook der heutigen Zeit.

In den Jahren 1934 und 1935 gab es ebenfalls Reflexschaltungen zum Einsparen einer NF-Vorstufe bei Superhet-Empfängern. Dort wurde die Zwischenfrequenz-Verstärkerröhre nach der Gleichrichtung der ZF mit einer Diode zusätzlich als Niederfrequenz-Vorverstärker benutzt. Dieses Prinzip wurde aber auch bald wieder aufgegeben.

Die Geschichte wiederholt sich

Nach der Erfindung des Transistors wurde das Reflexprinzip wiederentdeckt. Die ersten Transistoren in den 50er Jahren waren teuer in der Fertigung und der Ausschuss war hoch. Jeder eingesparte Transistor bedeutete eine spürbare Senkung der Produktionskosten eines Empfängers.

Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich 1960 als Schüler gespart habe, um mir nach den Sommerferien einen 2-Transistor-Reflex-Empfänger für 32.-DM zu kaufen. Das Gerät existiert noch heute (Bilder 16 und 17) und wurde mit den kleinen, damals erst entwickelten 9V-Blockbatterien betrieben. Tagsüber konnte man gerade im kleinen Lautsprecher oder im mitgelieferten Ohrhörer den Orts- oder Bezirkssender auf Mittelwelle mit 10-15mW Sprechleistung empfangen. Abends waren dann doch mit der eingebauten Ferritantenne einige Stationen zu hören, vor allem der leistungsstarke Sender von Radio Luxemburg auf 1440KHz kam recht gut herein. Das war für meine Freunde beeindruckender, als der selbstgebaute 2-Röhren-Einkreiser mit DF91 und DAF92 in der Zigarrenkiste, zu dem man noch den 2x2000W-Doppelkopfhörer und eine Wurfantenne benötigte!

Diese kleinenTaschengeräte wurden inzwischen in Japan gebaut und waren die Vorboten des heranziehenden Untergangs für die deutsche Rundfunkindustrie, auch wenn die das zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht so recht gemerkt hatte. Es war sicherlich unter dem technischen Niveau der deutschen Radioindustrie solche Einfachstradios zu fertigen. Die japanischen Gerätchen hatten wohlklingende Namen wie „Queen“,  „Boys Radio“ oder „Twentone“ und wurden bald abgelöst durch gleich große 5- oder 6-Kreis-Superhet-Empfänger mit 5-7 Transistoren.

Sie kamen alle mit einem ähnlichem Schaltungskonzept auf den Markt, das auch für den Bastler geeignet war. In einer Sonderausgabe des FUNKAMATEUR von 1965 [4] wurde ein solcher Selbstbauempfänger beschrieben (Bild 18). Ein einziger abgestimmter Schwingkreis mit der Ferritantenne als Induktivität und dem ersten Germaniumtransistor als Hochfrequenzverstärker lieferten die gleichzurichtende HF an eine Diode. Dann wurde über einen Niederfrequenztransformator die NF dem selben Transistor wieder zugeführt und verstärkt. Ein weiterer Kleinleistungstransistor arbeitete dann, ebenfalls über einen Trafo, auf den Miniaturlautsprecher. 

Weiterführende Informationen

Wer sich für die ausführlichen technischen Daten der hier aufgeführten Empfänger interessiert, kann auch als nicht registrierter Gast im weltweit größten Internet-Radiomuseum www.radiomuseum.org [3] viele interessante Informationen abrufen. Dort sind über 122 000 Geräte erfasst. Als angemeldetem Benutzer stehen einem Vollbild-Fotos, Schaltbilder und mehr zur Verfügung.

Literatur- und Quellenangaben:

[1] Krüger, R : Die Selbstherstellung von Radioapparaten mit 1 bis 7 Röhren, Verlag Carl Schmidt & Co, Berlin 1924

[2] Hausdorff, M./Schrage, W.: Der Radiobastler, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Leipzig 1924

[3] www.radiomuseum.org

[4]: Hubert, A.: Reflexempfänger DIACETA, Funkamateur Sonderheft 1965, S. 16